Läßt sich das Individuelle vom Gesellschaftlichen trennen?

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Läßt sich das Individuelle vom Gesellschaftlichen trennen?

Burnout ist eine gesellschaftlich unvermeidliche Krankheit. Man kann aber individuell verhindern, das es einen oder eine selbst trifft. In vielen Darstellungen der Burnoutliteratur - vor allem in Ratgebern - wird daraus der Schluss gezogen, dass man sich also am Besten mit den gesellschaftlichen Ursachen nicht auseinandersetzt, sondern sich nur um sich selbst kümmert. Die Ideen, die dahinter stecken, sind folgende:

1. Man kann die gesellschaftlichen Ursachen sowieso nicht verändern. Zumeist wird mit weise klingenden Sprüchen eine Art der 
    Bescheidenheit vertreten, die man sich angewöhnen solle. 
2. Weil die Bedrohungen ohnehin die Angreifbarkeit der Individuen deutlich machten, raube die Beschäftigung mit Unveränderlichem 
    die Energie, die man brauche, um sich mit Burnout auseinanderzusetzen.
3. Das Bild, das die Gesellschaft gegenwärtig biete, gebe Anlass zu tiefer Hoffnungslosigkeit (in einer "schlechten Welt"), die Burnout 
    eher fördere als verhindere. Man benennt zwar die Schlechtigkeit, belässt es aber dabei und verlangt von den Individuen eine 
    andere Sichtweise. 

Deswegen konzentriert sich die Literatur im wesentlichen auf die "Umstände", die der Einzelne oder die Einzelne lösen oder verändern könne. Zumeist handelt es sich darum, die Lage, die tatsächlich als gesellschaftlich katastrophal beschrieben wird, individuell positiv "auch als Chance" zu sehen. So wird die "Krise" zur "Chance", nicht dadurch dass man sie begreift und herausbekommt, was der Inhalt der "Krise" ist, sondern dadurch dass man sie unverändert bestehen lässt, aber seine individuelle Einstellung zu ihr ändert.

Es ist - für diejenigen, die solche Ratgeber lesen, und auch für die, die solche Ratgeber schreiben - zu hoffen, dass das individuell hilft. (Ganz glauben mag ich das nicht.) Aber im Prinzip ist diese Form der Auseinandersetzung geradezu fatal. Denn indem die Individuen so aus ihrem Zusammenhang herausgerissen betrachtet werden, wiederholt man in Gedanken, was in Wirklichkeit den Menschen in der Kooperation in der Produktion zustößt. Die Verhältnisse werden den Individuen gegenüber verselbständigt und gelten dann als für sich existent, unabhängig davon, dass sie eben von den Menschen hervorgebracht werden, die unter Burnout zu leiden haben.

So werden etwa der technische und wissenschaftliche Fortschritt, die Globalisierung und andere meist als unerfreulich beschriebene Tatsachen als vorhandene Lebensumstände angeführt. Diese machen den Individuen das Leben schwer. Sie - oder der falsche Umgang mit ihnen - beschwören die Burnoutgefahr herauf.

Aber die Globalisierung ist das Werk eben derer, die von Burnout gefährdet sind - wenn man sie nicht aus ihrem Zusammenhang reißt. der technische und wissenschaftliche Fortschritt ist das Produkt der Menschen, die in Burnoutgefahr schweben. Wer die Menschen aus dem Zusammenhang reißt verselbständigt gerade ihre menschlichen Wesenskräfte, so dass die Individuen dadurch wehrlos einer - naturähnlichen - Übermacht gegenüberstehen, wo es sich um ihr eigenes Produkt handelt.

Die Entgegensetzung von individueller und gesellschaftlicher Betrachtung von Burnout ist nur der theoretische Ausdruck der Prozesse, die zu Burnout führen. Sie ist kein Beitrag zur Prävention von Burnout, wie es diejenigen anzunehmen scheinen, die diese Trennung selbst vornehmen und auch den Betroffenen vorschlagen, sie zu machen.

Warum sollte man den gesellschaftlichen Zusammenhang beachten?




Ist Burnout eine Krankheit?



Zur Prävention von Burnout