Kurze Zusammenfassung

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Burnout - Mangel an Management oder Grenze des Managements

Burnout ist überall

Burnout ist eine Reaktion auf eine lang anhaltende außerordentliche Belastung, die in Unternehmerkreisen schon lange bekannt ist. Seit Freudenberger sie 1974 mit Namen „Burnout“ belegt hat, ist sie ein Phänomen, das sich immer weiter ausbreitet. Die Karriere des Burnout hat im Bereich der freiwilligen psychosozialen Dienste und der Klienten- und Patientenbetreuung begonnen. Das bestimmte zunächst auch die Vorstellungen, die sich die Forschung von Burnout machten. Hoch motivierte Menschen mit Helfersyndrom sind nicht ausreichend in der Lage sich von ihren Klienten abzugrenzen. Das stellte man sich als die Ursache von Burnout vor.

Dieser Vorstellung gemäß begann die Forschung damit, zu untersuchen, welche Berufe anfällig für Burnout machen. Im Bereich der Krankenpflege, an den Schulen bei Lehrerinnen und Lehrern, in der Kirche bei Pfarrern, bei der Polizei, in psychotherapeutischen und anderen klientenorientierten Berufen, sowie der Sozialarbeit wurde empirisch geforscht. Anfänglich zeigte sich bei den Beschäftigten in diesen Berufen eine hohe Motivation. Viele arbeiteten mit großem Engagement weit über die Grenzen der gewöhnlichen Arbeitszeit hinaus. Sie distanzierten sich nicht ausreichend von den Sorgen der ihnen anvertrauten Menschen. Das führte zu emotionaler, körperlicher und geistiger Überanstrengung. Eine berufsorientierte Betrachtungsweise des Burnout lag also nahe.

Doch Burnout breitete sich auf alle Berufe aus. Es gibt heute kaum noch Arbeitsfelder, in denen solche Belastungen keine Rolle spielen. Ob nun Software-Programmierung oder führendes Management, ob Flugbegleitung oder Sekretariat, Projektleitung oder Verwaltung, Burnout ist überall.

Burnout als Reaktion auf veraltete Strukturen?

Aus den Gründerzeiten der Burnout–Forschung reicht eine zweite Illusion bis in die Gegenwart. Man ist der Meinung, dass Burnout mit einem bestimmten Typ von Arbeitsorganisation verbunden ist. Formen der Arbeitsorganisation, die stark auf Anweisung und Gehorsam beruhen, tragen danach besonders zu Belastungen bei, die zu Burnout führen. Smarte Formen der Organisation der Arbeit wie die so genannte „Vertrauensarbeitszeit“ und die so genannte „Autonomie“ der Beschäftigten führen danach weit weniger zu Burnout, weil die Beschäftigten mehr Einfluss auf ihre Arbeitssituation haben. Demnach müsste die Verbreitung von Burnout in den Berufen seltener sein, in denen die Menschen in diesem Sinne „autonom“ und „selbst organisiert“ arbeiten. Das Gegenteil trifft jedoch zu. Gerade Menschen, die sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen können, arbeiten zumeist mehr und intensiver als diejenigen, die in ihrer Arbeitszeit kontrolliert werden. Dementsprechend ist das Risiko des Burnout mindestens genauso hoch.

Die Forschung zielt nun auf das Verhältnis der Menschen zu ihrer Arbeit überhaupt ab. Man beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der Menschen, ihre Arbeit selbst zu gestalten. Je mehr Einflussmöglichkeiten den Beschäftigten eingeräumt werden, desto geringer ist die Gefahr des Burnout, so behauptet die Forschung. Die Verhältnisse in den Unternehmen und Organisationen werden untersucht. Man stellt fest, dass viele Organisationen und Unternehmen durch ungeeignete Strukturen und fremdbestimmte Abläufe, falsche Routinen und anstrengende Kommunikationsformen Stress verursachen. Und am Ende von Stress steht möglicher Weise Burnout.

Es gilt – so scheint es – viele Unternehmen umzukrempeln. Neue Methoden des Managements werden – wenn auch nicht unbedingt wegen Burnout, so doch (teils verbal, teils organisatorisch) unterstützt von einer Reihe von Burnout–Forschern – in die Firmen eingeführt. Anweisungen erscheinen zwar als notwendig, aber als nur begrenzt sinnvoll. Organisationsstrukturen werden analysiert und verändert. Das passt gut zu Veränderungen in den Formen des Managements, die sich – wenn auch aus ganz anderen Gründen – in den Unternehmen durchzusetzen beginnen. Insofern wurden die Impulse dieser Phase – zwar nicht um der Eindämmung von Burnout willen – weitgehend aufgenommen und zum Teil umgesetzt. Smarte Formen des Managements, schlanke Hierarchien und unternehmerisches Handeln der Beschäftigten gelten als die Umsetzung des Einflusses der Menschen auf ihre Arbeit. Aber Burnout wird durch veränderte Formen des Managements in Unternehmen nicht verringert. Denn Burnout nimmt in den Berufen, die in solchen Unternehmen stark gefragt sind, welche die neue Formen des Managements einführen, eher zu als ab. Es zeigt sich, dass die Menschen, die in solchen Unternehmen arbeiten, Schwierigkeiten mit der Abgrenzung von ihrer Arbeit haben. Sie fühlen sich von ihrer Arbeit aufgefressen. Sie haben Angst um sich selbst, um ihre Individualität. Sie haben das Gefühl ihr Selbst in der Arbeit zu verlieren.

„Work-Live-Balance“

Es ist notwendig, dass sich die Beschäftigten als Individuen mit ihrer eigenen Arbeit auseinandersetzen. Um Burnout zu vermeiden, müssen die Betroffenen ihr Verhältnis zu ihrer Arbeit ändern. So viel scheint fest zu stehen. Ein Begriff, der in der Diskussion über Geschlechterverhältnisse geprägt wurde, scheint den Nagel auf den Kopf zu treffen: „Work – Live – Balance“ wird zu einer Art Zauberwort der Prävention von Burnout. Es geht darum, einen Ausgleich zwischen Arbeit und Leben zu finden. Das ist heutzutage eine der Aufgaben der Beschäftigten. Wie wird empfohlen diese Aufgabe anzugehen? Gedacht ist an ein verbessertes Selbstmanagement. Man geht von der Arbeit aus, das Leben soll im Ausgleich Stress und Gefahr von Burnout reduzieren. Es wird zwar auch von den Firmen ein verändertes Management verlangt. Die Beschäftigten aber bedürfen, so sagt man, eines verbesserten Selbstmanagements.

Aber Management – und auch Selbstmanagement – verhindert nicht Burnout. Im Gegenteil: Die gegenwärtigen Formen des Managements führen Burn-out herbei. Es ist deswegen dringend erforderlich andere Formen der Auseinandersetzung mit Burnout zu entwickeln. Der Anfang bei der Berufsforschung macht sichtbar, wo man nach den Quellen der Belastung suchen muss. Es sind die Beziehungen zwischen den Menschen in der Arbeit, die diese neue Form der Belastung nach sich ziehen.

Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren entweder eine Maschine oder ein – einer Maschine nachempfundener – geregelter Ablauf das Rückgrat der Arbeitsorganisation in einem Unternehmen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute sind die Kooperationsbeziehungen der Beschäftigten das Rückgrat des Unternehmens. Das Management hat die Aufgabe, diese Beziehungen so einzurichten oder zu entwickeln, dass die Beschäftigten darauf von selbst – unbewusst – möglichst produktiv reagieren. Das geschieht nicht durch Anweisungen an die Beschäftigten, sondern durch Modifikation der Rahmenbedingungen der Kooperation, auf die die Beschäftigten reagieren. Dadurch werden die Beschäftigten so „indirekt gesteuert“, dass sie von selbst – d. h. ohne zu wissen, warum – mehr, länger und intensiver arbeiten. Überdies setzen sie sich gegenseitig im Sinne des Unternehmens unter Druck. Der Unternehmenszweck nistet sich - durch die „indirekte Steuerung“ - in den Handlungsweisen der Beschäftigten bei der Arbeit ein, ob das nun den Umgang miteinander oder mit den Kunden betrifft. Das Selbst der Beschäftigten wird – vermittelt über die am Gewinn des Unternehmens orientierten Kooperationsbeziehungen mit den Kolleginnen und Kollegen – im Sinne des Unternehmenszwecks beeinflusst. (Wem das merkwürdig vorkommt, der denke an einen kleinen Unternehmer, dessen Selbst gewissermaßen nichts anderes ist als das Unternehmen. Dasselbe gilt – wenn auch unter veränderten Voraussetzungen – für die Beschäftigten, die heute unter den modernen Formen der Arbeitsorganisation arbeiten.) Das ist das Ziel, das ist die Wirkung der neuen Formen der Arbeitsorganisation. Deswegen nimmt Burnout mit den veränderten Managementformen nicht ab, wie manche früher gehofft haben, sondern zu.

Die verselbständigte Kraft der Kooperation der Individuen

Wie stellt sich das Problem für jemanden dar, der in einem Unternehmen unter diesen neuen Formen der Arbeitsorganisation arbeitet? Ein Mitarbeiter eines Unternehmens erhält im Rahmen des Teams, in dem er arbeitet, oder der Unternehmenseinheit, in der er tätig ist, unternehmerische Mitverantwortung. Denn die unternehmerischen Funktionen werden mehr und mehr von den - in Teams, Unternehmenseinheiten etc. organisierten - Beschäftigten wahrgenommen. Die Beschäftigten vertreten - wenn sie diese unternehmerischen Funktionen wahrnehmen - die organisierte Kraft der zusammenwirkenden Individuen. Diese Kraft in ihrem Rücken nutzen die Beschäftigten zur Entfaltung und Entwicklung ihrer Fähigkeiten. Sie fühlen sich plötzlich mit Energie beladen, belebt und aktiv. Sie fühlen sich mächtig, kräftig und bedeutend und in gewisser Weise fühlen sie sich mit Recht so.

Mit den Kräften der Kooperation vergrößert sich zunächst einmal die Wirkungsmöglichkeit der Individuen enorm. Die Menschen identifizieren sich mit dieser Kraft und - da diese Kraft mit dem Unternehmen verbunden ist - mit dem Unternehmen. Aber diese Kraft wirkt nicht nur nach außen, im Rücken der Beschäftigten und unterstützt sie. Dieselbe Kraft wirkt auch innerhalb der Individuen selbst. Wie sie in ihrer Wirkung nach außen stärker ist als die Kraft eines einzelnen Individuums, so ist sie auch im Individuum selbst stärker als es selbst, als die Kraft der jeweiligen einzelnen Individuen. Tritt auch nur eine minimale Differenz der Bestrebungen der kooperierenden Unternehmenseinheit und des individuellen Beschäftigten ein, so gilt: Die Kraft der kooperierenden Individuen richtet sich über kurz oder lang gegen die einzelnen Beschäftigten, die einzelnen Individuen, und die Kraft der Kooperation ist stärker. Es ist daher notwendig, sich von vornherein mit dieser Kraft der Kooperation auseinanderzusetzen.

"Meine Zeit ist mein Leben!"

Burnout zeigt, dass sich die Beschäftigten mit den Anforderungen, die das neue Management und die neuen Formen der Arbeitsorganisation stellen, noch nicht so auseinandersetzen können, dass sie sich selbst aus der Arbeit zurückgewinnen und abgrenzen können. Obwohl es ihre eigene Lebens- und Arbeitstätigkeit ist, verlieren viele Beschäftigte – und oft gerade die für die Unternehmen Wertvollsten – in dieser Form der Arbeitsorganisation sich selbst. Sie müssen nicht lernen, sich selbst besser zu managen. Sie müssen lernen, sich mit dem Management, dem sie unterzogen werden und dem sie sich ggf. auch selbst unterziehen, auseinanderzusetzen.

Eine Möglichkeit das zu tun, bietet der Ansatz „Meine Zeit ist mein Leben!“ Danach sagt man nicht, was jemand besser machen muss, – schon gar nicht, dass jemand sich besser managen muss. Es gilt zu erkennen, was und warum man und frau so alles tut. Es geht darum, sich sein eigenes Tun zu eigen zu machen, anzueignen. Die Arbeit ist nicht selbständig vom Leben, und auch nicht ein selbständiger Teil des Lebens, der gegen den Rest des Lebens ausbalanciert werden muss. Die Arbeit kann nur ein Teil der Lebenstätigkeit der Individuen sein, der in das Leben integriert ist. Alles andere trägt zum Verlust des Selbst der Beschäftigten eher bei, eben zu Burnout.

Burnout ist zunächst einmal keine Krankheit, sondern zeigt die Notwendigkeit sich selbst in seinem Leben aus der Arbeit wieder zu gewinnen. Die neuen Formen der Organisation der Arbeit führen dazu, das Selbst der Beschäftigten mit dem Unternehmenszweck zu besetzen. Selbstmanagement ist nur die konsequentere Fortsetzung dieses falschen Weges. Es bedarf im Gegenteil der Auseinandersetzung mit dem Management, dem man im eigenen Leben Grenzen zu setzen lernen muss. Es bedarf der Aneignung des eigenen Lebens. Dazu soll die Veranstaltung "Meine Zeit ist mein Leben!" einen Anstoß geben.

Einleitung


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